Liebe Mama,

kannst du dich noch daran erinnern, als du mich im Jahr 2021 (ich glaube, das war noch während der ersten Corona-Pandemie) in Regensburg besucht hast? Als du mit deinen hohen Erwartungen, für die ich aufgrund meiner ausführlichen Schilderungen zum einzigartigen Flair des Weltkulturerbes durchaus verantwortlich war, angereist bist. Also ich kann mich noch gut daran erinnern – vor allem aber an deine Enttäuschung… Du bist vom Zug ausgestiegen und warst erstmal überwältigt von der Lärmkulisse, der von der „Blechlawine“ ausging, wie du es liebevoll bezeichnet hast. Außerdem hast du geschwitzt ohne Ende, da keine schattenspendenden und abkühlenden Bäume vorhanden waren. „Wie in der Sahara“ hast du damals gesagt. Angekommen in der Altstadt kam dann für dich gleich die nächste Klatsche und deine Worte haben sich bei mir eingebrannt:

„Wie bitte? Die Autos fahren sogar in die Altstadt rein?“, „Ich dachte, Regensburg wäre eine grüne Stadt, aber wo sind hier die Bäume und die Blumen?“, „3,50 Euro für ein Busticket? – ja da wundert mich der Autoverkehr tatsächlich nicht!“, „Einen Zentimeter näher und der Autospiegel hätte mich vom Fahrrad geworfen!“, „Ernsthaft? Eine Ampel vor der Steinernen Brücke? Wisst ihr, was ein Zebrastreifen ist?“, …

Ja, du warst wirklich nicht sehr begeistert!

Aber liebe Mama, du kannst dir nicht vorstellen, was sich in den letzten 15 Jahren alles verändert hat: Am Bahnhofsvorplatz ist jetzt alles grün und die Leute sitzen im Schatten, trinken Kaffee und erholen sich. Das geht jetzt auch wirklich gut, denn nicht nur die gesamte Innenstadt wurde von Autos befreit. Auch im kompletten Bereich vor dem Bahnhof gibt es nur eine schmale Autospur, die kaum verwendet wird und wenn, dann nur von E-Autos. Die ganze Stadt ist jetzt ein Traum für Radfahrer. Mama du musst dir vorstellen, jetzt besuchen uns schon Verkehrsforscher aus den Niederlanden, um mehr über die exzessive Radnutzung zu lernen. Außerdem kann Regensburg jetzt wirklich als grüne Stadt bezeichnet werden. Weißt du noch damals, als wir meinen Bruder in der Mozartstraße besucht haben? Da warst du richtig begeistert von der Ruhe, von dem schönen Wasserlauf und den blühenden Flächen, die ein Paradies für Anwohner und Insekten bieten. Die Stadt hat jetzt ein kommunales Blühflächenprogramm ins Leben gerufen, bei dem durch Fördermittel und systematischer Beratung alle Vermieter dabei unterstützt wurden, einen Beitrag zur Artenvielfalt zu leisten. Darum ist es jetzt bei mir genauso schön und du kannst mir glauben, mein Stresslevel hat sich mindestens halbiert!!! Ich könnte jetzt noch so viel von den Veränderungen erzählen, vom Nulltarif für den ÖPNV, von der tollen Stadtbahn, den gemeinschaftlichen Gärten, den Fahrradstraßen, den Sauberkeitsregeln (wie in Singapur) und und und… Darum, liebe Mutter, besuch mich doch bitte nochmal und gib der Stadt Regensburg eine letzte Chance! Aber komm am besten mit dem Zug (der ist jetzt barrierefrei), denn selbst für dein E-Auto wirds schwierig mit dem Parkplatz!

Bis bald Mama!